Stochastische Prozesse - Gittergase mit offenen Rändern

Bei unseren Untersuchungen interessieren wir uns unter anderem für getriebene Gittergase mit offenen Rändern in einer Dimension. Diese Modelle sollen hier anhand des asymmetrischen Exklusionsprozesses (ASEP) vorgestellt werden.

Bei diesem Modell können die Plätze eines Gitters der Länge L jeweils von einem Teilchen besetzt oder unbesetzt sein. Diese Teilchen besitzen die folgende (stochastische) Dynamik in diskreter Zeit:

  • Die Teilchen auf den Plätzen 1 bis L-1 hüpfen pro diskretem Zeitschritt (pro Update) mit Wahrscheinlichkeit p einen Platz nach rechts, wenn dieser Platz unbesetzt ist.
  • Ein Teilchen, das auf Platz L sitzt, verlässt mit Wahrscheinlichkeit b die Kette.
  • Ist der erste Platz der Kette während diese Updates unbesetzt, so hüpft aus einem Teilchenreservoir ein Teilchen mit Wahrscheinlichkeit a auf den ersten Platz.
  • Dieses Modell ist aufgrund seiner Diskretheit in Raum und Zeit (probabilistischer Zellularautomat [1]) hervorragend für Monte-Carlo Simulationen geeignet und alleine aus numerischen Untersuchungen lassen sich viele Aussagen über die physikalischen Eigenschaften des Systems machen.

    Nach langer Zeit stellt sich in dem System, unabhängig von den Anfangsbedingungen, ein stationärer Teilchenstrom von links nach rechts ein. Deswegen erreicht dieses System nie das Gleichgewicht, es handelt sich also um ein statistisches Modell des bisher nur teilweise verstandenen Nicht-Gleichgewichts.



    Abb. 1: Phasendiagramm des offenen Systems. Abb. 2: Fundamentaldiagramm des periodischen Systems.

    Dieses Modell konnte vor nich allzu langer Zeit mit Hilfe der stochastische Version des Matrix-Produkt Ansatzes [2,3] gelöst werden. Das Phasendiagramm aus Abb.1 soll nun kurz erläutert werden.

  • LD-Phase
    Für a<b und a<1-(1-p)1.2 befindet sich das System in der sogenannten Niedrigdichte-Phase. Die Teilchen können das System viel schneller verlassen als betreten. Daher wird das System bestimmt durch das schwächste Glied, d.h. die Wahrscheinlichkeit a und der Strom berechnet sich zu

    J=a(p-a)/(p-a2).

  • HD-Phase
    Für b<a und b<1-(1-p)1/2 befindet sich das System in der sogenannten Hochdichte-Phase. Die Teilchen können das System viel schneller betreten als verlassen. Daher wird das System bestimmt durch die Wahrscheinlichkeit b und der Strom berechnet sich zu

    J=b(p-b)/(p-b2).

  • MC-Phase
    Wenn a und b beide grösser als 1-(1-p)2 sind, passiert folgendes. Man versucht dem System einen Teilchenstrom einzuprägen, der grösser ist als der maximale Strom, der durch die Kette fliessen kann (Man versucht Kanonenkugeln durch Gartenschläuche zu pressen). D.h. wenn man die Kette periodisch schliesst, so gibt es bei der Teilchendichte 1/2 einen maximalen Strom in diesem Ring. Dieser Strom kann auch bei offenen Rändern nicht überschritten werden. Deswegen spricht man hier von der Maximalstrom Phase und der Strom ist gegeben durch den maximalen Strom des Rings bei der Dichte 1/2 [4],

    J=1/2 (1-(1-p)1/2).

  • Die Übergange von der LD-Phase und der HD-Phase in die MC-Phase sind von zweiter Ordnung. Besonders interessant ist der übergang erster Ordnung von der LD- in die HD-Phase. Beide Phasen werden getrennt durch die sogenannte Koexistenzlinie, bei der das System am linken Rand in der Niedrigdichte Phase vorliegt und am rechten Rand in der Hochdichte Phase. Beide Phasen sind relativ scharf gegeneinander abgegerenzt. Es bildet sich eine Schockfront, die einen Random Walk [5] durch das ganze System vollzieht.



    Literatur:

    [1] S. Wolfram, Theory and Applications of Cellular Automata, Singapore: World Scientific (1986)
    [2] M.R. Evans, N. Rajewsky and E.R. Speer, Journal of Statistical Physics 95, 45 (1999)
    [3] J. deGier and B. Nienhuis, Physical Review E 59, 4899 (1999)
    [4] M. Schreckenberg, A. Schadschneider, K. Nagel and N. Ito, Physical Review E 51, 2939 (1995)
    [5] F. Spitzer, Principles of Random Walk (Springer, New-York, Heidelberg, Berlin, 1976)

    Kai-Oliver Klauck
    2000-04-12